Tatsächlich geht es dabei um Ökonomischen Wohlstand, wobei man ökonomisch nicht auf nur auf Geldwertes reduzieren darf, sondern den Begriff im ursprünglichen Sinne verstehen muss: Ökonomie als gutes Wirtschaften und Verwalten für das große gemeinsame Haus, also dem (griechischen) Oikos. Oikos ist der eigene Haushalt, aber auch Dorf, Stadt, Region, Land und darüber hinaus. Wie kann es uns gut und „wohl“ ergehen in einem großen globalisierten Dorf? Dafür habe ich 10 Punkte formuliert, die für ein individuelles Benessere-Wellbeing-Wohlsein notwendig sind.
Finanzieller Wohlstand ist die Basis, „ohne Geld koane Musik“. Wenn am Ende vom Geld noch viel Monat übrig ist, geht es uns nicht gut. Wenn uns finanzielle Sorgen plagen, kann es uns nicht gut gehen.
Der Physische Wohlstand ist aktuell der Renner, überall schießen Fitness- und Yoga- und Pilates- und Gym-Studios aus dem Boden. Natürlich, wir haben Wohlbefinden, wenn es uns körperlich gut geht und wenn wir gesund sind. Wer schlimm erkrankt oder einen schweren Unfall hat, würde allen finanziellen Wohlstand tauschen für die Wiederherstellung der Physis. Und so rennen wir und laufen und schwimmen (und hecheln) nach physischem Wohlstand.
Wenn wir aber nach finanziellem Wohlstand streben und dafür hart arbeiten müssen und gleichzeitig die Freizeit vollpumpen mit sportlichen Aktivitäten, werden wir offensichtlich bald unter Zeitlichen Wohlstand leiden. Mehr passt in einen 24-Stunden-Tag einfach nicht mehr rein und so haben wir das Gefühl, dass wir nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch außerhalb in einem Hamsterrad gefangen sind. Wir sind die Zeit ohne Zeit, die Zeit zerrinnt uns offensichtlich zwischen den Fingern! Am Ende des Tages ist die Mailbox immer noch nicht leer und die ToDo-Liste immer noch nicht abgearbeitet. Stress! Das vermeintliche magische Gegenmittel ist die Wahn-Wunsch-Vorstellung einer Work-Life-Balance, also weniger arbeiten, damit man mehr Zeit für sich hat. Ein Trug-Bild, denn wir wollen immer mehr Aktivitäten in unsere begrenzten Zeiteinheiten packen. Zeit zu haben ist eine bewusste Entscheidung für ein Meer an Zeit, auch Zeit zum Nichtstun, für sich zu reservieren. Oder für Kreativität.
Menschen werden glücklich und zufrieden, wenn sie etwas „erschaffen“ dürfen, etwas selbst kreieren, egal ob das ein Schrebergarten ist, ein Kuchen, ein Konzept, eine Firma, eine Wanderroute, ein Bild, ein Puzzle. Hier kommt die Begeisterung ins Spiel, denn jeder Mensch ist begeisterungsfähig, wenn seine natürlichen Motivationen entdecken und entfaltet werden. Und sobald man diese individuellen Vorlieben und Beweggründe in sich entdeckt hat (die auch sehr praktisch sein können: Menschen helfen, Logistik planen, Autos reparieren) tut sich Schaffenskraft auf. Menschen sind zum Kreieren geschaffen, aber für diesen Kreatorischen Wohlstand braucht man wiederum Zeit.
So wie Menschen aufblühen, wenn sie krea(k)tiv sein dürfen, geht es ihnen gut, wenn sie in ein Beziehungsnetz eingeflochten sind. Menschen sind (grundsätzlich) nicht für das Einsiedlertum gemacht, sie sind auf Beziehungen hin geschaffen und brauchen Beziehungswohlstand. Das merken wir immer dann, wenn in unseren Beziehungen – privat oder beruflich – etwas nicht stimmt. Dann leiden wir. Beziehungen sind wie ein Garten: wenn sie nicht gepflegt werden, wächst kein schöner Garten, sondern Unkraut und Wildwuchs. Beziehungswohlstand braucht Zeit, aber wir brauchen genauso Zeiten fürs Alleinsein. Eingebunden sein und autonom sein, das ist die eigentliche wichtige Balance, die wir anstreben sollten.
Beziehungsleerstand führt zwangsläufig zu seelischem Unwohlsein und das macht uns krank. Denn zur Gesundheit gehört nicht nur die Physis, sondern auch die Psyche. Und so brauchen wir psychischen, mentalen Wohlstand zum Wohlergehen. Und manchmal könnten wir uns viel Geld beim Psychiater sparen, wenn man verstünde, dass mentales Unwohlsein meistens sehr einfache Wurzeln hat und mehr mit Kraft- und Orientierungslosigkeit zu tun hat, denn mit einem Krankheitsbild und deshalb eher über Re-Motivation, denn durch Behandlung behoben werden kann. Mentales Unwohlsein nimmt die Lebenskraft.
Mehr noch, immer mehr Menschen merken, dass sie auch seelischen, spirituellen Wohlstand brauchen. Wir haben in der westlichen Gesellschaft Gott abgeschafft, aber wir haben uns damit wohl keinen Gefallen getan, denn die Menschen kugeln in allerlei (teure) Spiritistik und Esoterik und östliche Mystik; wir suchen verzweifelt nach Spirituellem Wohlstand, weil wir Menschen nicht nur Körper und Geist, sondern eben auch Seele sind (oder wie man das auch nennen mag), und um diese kümmert sich meist niemand.
In unserem größeren Oikos werden wir darüber hinaus Sozialen Wohlstand anstreben müssen; wenn wir Nachbarschaftswachen brauchen und Stacheldraht um unseren Besitz, wenn Banden gewisse Straßen beherrschen und wir Angst haben müssen, abends alleine auszugehen, haben wir kein Wohlsein mehr. Und deshalb hängt unser Wohlstand auch damit zusammen, wie es der Welt geht: ein Krieg in Europa oder im Nahen Osten belastet uns (vielleicht auch nur unbewusst), weil Friedenswohlstand Voraussetzung ist, unser Wohlsein leben zu können. Ohne Frieden ist alles nichts.
Ebenso brauchen wir Ökologischen Wohlstand. Die Luft, die wir atmen, unterscheidet nicht zwischen Arm und Reich. Und wer wir weiterhin Luft, Wasser, Böden verpesten und verschmutzen, werden wir – als weltweite Gemeinschaft – keinen Wohlstand mehr leben können.
Das sollte uns Motivation genug sein, Nachhaltigkeit anzustreben, im weitesten Sinne des Wortes, wo eben sozialer und ökologischer Wohlstand zu ökonomischem Wohlstand führen, zum Gemein-Wohl oder besser: zu Wohlsein und Wohlstand der Gesellschaft. Aber auch in unseren Unternehmen, wenn es um Mitarbeitermotivation und -bindung (Retention) geht. Es wird nicht reichen, Chief Wellbeing Officer oder Feelgood-Manager anzuheuern (wie es viele große internationale Unternehmen tun) oder einen Calcietto-Tisch anzuschaffen. Der Bereich Wohlstand greift weiter und wenn es Unternehmen schaffen, einen systemischen Ansatz von Wohlstand als Unternehmenskultur zu leben, werden sie keine Probleme haben, die besten Mitarbeiter am Markt zu finden.