Future Skills
Vielleicht haben wir es noch nicht ganz mitbekommen, aber die Welt verändert sich gerade rapide und radikal. Großartig! Frei nach Bill Gates war niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit das große Versprechen der Innovation so vielversprechend für so viele Menschen in so kurzer Zeit. Je nachdem, ob wir darin Chancen oder Risiken sehen, ist für das für viele eine einmalige Gelegenheit, für andere aber auch Grund zu großer Sorge, Unsicherheit und Desorientierung.
„Future Skills“ sind also grob umschrieben Zukunftskompetenzen, welche in einer exponentiell komplexen und sich rasant entwickelnden Gesellschaft, alle Menschen befähigen sollen, selbstbewusst, flexibel, agil und zugleich kollaborativ mit aktuellen und neuen Herausforderungen, Situationen und Arbeitsumfeldern umzugehen.
Dabei gehen „Future Skills“ über die reine Wissensvermittlung hinaus und konzentrieren sich auf das Erlernen von Fähigkeiten, Werkzeugen sowie sozialen und emotionalen Kompetenzen.
Ja, sogar die Fähigkeit, eigenständig und selbstverantwortlich zu lernen, ist in sich selbst schon eine Zukunftskompetenz, denn in Zeiten überbordernder Wissensangebote im Netz gepaart mit der Notwendigkeit, ständig Neues lernen zu sollen, um up to date zu bleiben, wird man die Fähigkeit beherrschen müssen, für sich einen geeignete Lernparcours zu entwickeln (und ich weiß, dass es in Südtirol bereits Schulen gibt, die SOL – selbst organisiertes Lernen – erfolgreich anwenden).
Frei nach Prof. Erwin Sauters könnte man auch die Definition wagen: “Future Skills bereiten Menschen und Organisationen auf Aufgaben vor, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, auf die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Herausforderungen zu lösen, von denen wir heute noch gar nicht wissen, dass sie entstehen werden!”
Was aber ist konkret und ganz praktisch mit Future Skills gemeint?
Gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen in Deutschland haben Stiftverband und die Beratungsagentur McKinsey ein sogenanntes Future-Skills-Framework entwickelt, das die aktuellen Kompetenzbedarfe von Wirtschaft und Gesellschaft darstellt. Das Framework definiert «Future Skills» als Kompetenzen, die in den kommenden Jahren für Berufsleben oder gesellschaftliche Teilhabe deutlich wichtiger werden. Dabei unterscheidet diese Studie drei Kategorien: 1. die technologischen Fähigkeiten, 2. digitale Schlüsselqualifikationen und 3. Nicht-digitale Qualifikationen oder klassische Fähigkeiten, die manchmal auch (fälschlicherweise) mit Soft Skills umschrieben werden.
Kategorie 1 ist schon ziemlich klar auf dem Arbeitsmarkt sichtbar, denn wir bemerken eine steigende Nachfrage in der komplexen Datenanalyse, in der Administration vernetzter IT-Systeme, in der smarten Hardware- oder Robotik Entwicklung, im Bereich UX (Nutzerzentriertes Design) oder in der Blockchain Technologieentwicklung, aber auch in der Tech-Translation, also in der Übersetzung vom Wissen der Technologie-Experten hin zu den Nicht-Fachleuten.
Bei den digitalen Schlüsselkompetenzen geht es primär um Digital Literacy, eine Art grundlegendes Einmaleins der digitalen Welt, vom sorgsamen Umgang mit digitalen persönlichen Daten über das Nutzen gängiger Software bis hin zu einfachen Formen der Künstlichen Intelligenz. Immer mehr wird deutlich, dass man auch im digitalen Netz einfache Verhaltensformen können muss, eine Art „digitaler Knigge“. Aber auch Formen des Agilen Arbeitens: durch Corona haben wir gelernt, wie wichtig digitale Kollaboration jetzt schon ist. Wer es nicht kann, kann nicht mehr mitspielen.
Neben diesen ersten beiden Kategorien, die sich am jeweiligen Arbeitsplatz noch entsprechend konkretisieren und skalieren werden, gewinnt die 3. Kategorie der Future Skills zunehmend Bedeutung. Diese sind für den bekannten Hirnforscher Gerald Hüther Begleiter und zugleich Aufforderung, das „zutiefst Menschliche zu entdecken und zu entfalten“.
Hier sind nicht nur die großen allgemeinen Themen wie Resilienz (auch Durchhaltevermögen, Krisenkompetenz, Robustheit, Antifragilität) oder Empathie gemeint, unternehmerisches Handeln (auch für Nicht-Unternehmer) und Eigenverantwortung, sondern beispielsweise auch Problemlösungskompetenz und Kreativität, Adaptions- und Antizipationsfähigkeiten. Seit Darwin wissen wir ja, dass die Anpassungsfähigsten die besten Chancen zum Überleben haben, aber diese nimmt halt auch viel Zeit und Nerven in Anspruch. Für viele Menschen sehr beunruhigend, aber neutral betrachtet einfach eine Einladung zum Neudenken und zur Entwicklung von Fähigkeiten, um einer immer wieder neuen Zukunft erfolgreich entgegenzutreten.
Forscher betonen z.B. die Notwendigkeit der Fähigkeit von konstruktiv kritischem Denken, Reflexionskompetenz, oder neue Qualitäten von Selbstführung. Diese Themen werden genauso wichtig, wie der persönliche Umgang mit der digitalen Welt.
Corona hat uns auch gezeigt, wie wichtig es ist, neue Formen der Zusammenarbeit rasch zu erlernen. Teaming ist die Fähigkeit schnell die Basis für eine gute Zusammenarbeit zu schaffen und in unterschiedlichsten Konstellationen Synergie zu erleben. Das ist keine Zauberei, aber will gelernt sein. Co-Creation und Collaboration sind zunehmend wichtigere Fähigkeiten in einer Welt, die andauernd neue und unbekannte Situationen für uns parat haben wird.Aber auch Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Empathie, Achtsamkeit sind Fähigkeiten, die wir erlernen werden, denn auf einmal merken wir, wie wichtig unsere Gefühle und Emotionen auch für den Arbeitsplatz sind (sie waren es schon immer, aber nun ist zulässig, darüber zu reflektieren und zu reden). Experten schätzen, dass die Nachfrage nach emotionalen Skills – was die Maschinen definitiv nicht können werden – in den nächsten 10 Jahren um 25% ansteigen wird.
Der gesellschaftliche Wandel, die ökologischen Herausforderungen und andere akute Problemstellungen, vor allem aber auch neue, disruptive Technologien erfordern neue Herangehensweisen und Organisationsformen. Auch Führung und benötigte Führungskompetenzen sind eindeutig im Wandel! Ja, lernen und lernen wie man lernt, wird eine der sich stark entwickelnde Fähigkeiten sein, auch für Führungskräfte. Logisch, in einer Welt, die sich permanent verändert, in einer Welt, die sich von der Wissens—zur Kompetenzengesellschaft verwandelt, wird man permanent neu lernen müssen und wer das Life Long Learning Prinzip verinnerlicht, wird auch an seinem Arbeitsplatz relevant und wichtig bleiben. Wer nicht lernen kann oder nicht lernen wird, könnte möglicherweise Probleme bekommen.
Einzelne Unternehmen richten bereits „skills hubs“ ein, eigene Units, die darauf achten, welche neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Zukunft generell gebraucht werden und kreieren demzufolge entsprechende Lernprogramme für alle und sehr spezialisierte Formate für Mitarbeiter in speziellen Funktionen.
Ein anderes Pilotprojekt zeigt wie es gehen kann: wo sich die Rollen und Funktionen der Mitarbeiter verändern – etwas durch das Hereinbrechen völlig neuer Technologien, liefert ein Ausbildungsprogramm Lernmodule, damit die Mitarbeiter hin zu den neuen Erwartungen und Erfordernissen sich lernend weiterentwickeln können. Wo Arbeitsplätze verloren gehen werden, sorgen Umschulungsprogramm hingegen dafür, dass kein (williger) Mitarbeiter auf der Strecke bleiben muss.
Denn vom Wandel werden wir alle in irgendeiner Form betroffen sein, die neue Zukunft wird von uns verlangen, sich permanent neu auf sie einzustellen. „Die einzige Kompetenz, die im 21. Jahrhundert wichtig sein wird, ist die Kompetenz, neue Kompetenzen zu lernen“, so der Management-Visionär Peter Drucker etwas zynisch. Helga Breuninger, die Leiterin der Berliner WeQ Foundation reklamiert gar ein „Menschenrecht auf Future Skills“.
Future Skills werden laut OECD „die neue globale Währung“ für unsere Zukunftsfähigkeit sein. Zeit zu investieren! Denn jede einzelne Future Skill macht uns substanziell souveräner, kreativer, kollaborativer, selbstbewusster, kurz: erheblich zukunftsstärker. Future Skills helfen uns, zu bewussteren Baumeistern unserer Zukunft zu werden.
Manfred Schweigkofler war 12 Jahre lang Direktor des Bozner Stadttheaters. Heute begleitet er – neben seinen Regietätigkeiten – große Unternehmen auf ihren inspirierenden Reisen in die Zukunft. Er ist einer der Co-Autoren des Buchs „Future Skills“ und gehört zum Kernteam der Future Skills Plattform des WeQ-Instituts in Berlin www.futureskills.org. Für die Firma ELAS hat er eine Serie von 8x80minütgen Inputs vorbereitet, siehe www.elas.it.