Wir spüren die Auswirkungen der BANI-Welt, wobei die Abkürzung für brüchig, angsteinflößend, nicht-linear, unverständlich steht. Ja, die Fundamente unserer Gesellschaft sind brüchig geworden, unser Wertesystem zerbröselt und im Angesicht einer drohenden Rezession haben wir verstanden, dass die Annahmen von ständigem Wirtschaftswachstum bröckeln. Das macht vielen Menschen Angst. Sorgenwolken verdunkeln den Alltag, vom Krieg in der Ukraine zu den schrecklichen Vorfällen im Gazastreifen, über die Klimakrise hin zu Ängsten, dass die Inflation das Ersparte auffrisst. Viele sind rat-, orientierungs- und perspektivlos. Entwicklungen nicht mehr linear, sondern disruptiv und preschen auf uns herein wie aktuell die Künstliche Intelligenz, von der wir erahnen, dass sie unser Leben auf den Kopf stellen wird, aber so richtige eine Ahnung davon haben wir noch nicht. Wir leben in einer Welt der permanenten Schocks und jeder Schock verändert unser Leben definitiv. Eine Rückkehr zum Alten wird es nicht mehr geben und so stehen wir einer weitgehend unverständlichen Welt gegenüber, in der „nix mehr fix ist, selbst das nicht“, wie es Joachim Ringelnatz einmal schön beschrieben hat.
Damit uns hier die Depression nicht packt, brauchen wir ganz konkrete Schritte und Werkzeuge, diese Welt, sei es privat wie auch beruflich, bewältigen zu können. Das lernt man nicht in einem Zwei-Tages-Seminar und auch wenn die Kollegen von der Life-Coaching-Abteilung meinen, es ginge mit ein bissi Yoga und Selbstfindung: es wird nicht gehen!
In diesen Zeiten brauchen wir zunächst die Erkenntnis, dass wir fortan in einem System von Systemen leben und keines dieser vielen System wird einfach zu bewältigen sein. Es wird uns eher überfordern. Wir spielen mittlerweile in einem „unendlichen Spiel“ (so der Titel des letzten Buches von Simon Sinek) und dieses Spiel ist nicht zu gewinnen. Was also tun? Im Spiel bleiben, am Ball bleiben, permanent am Ball bleiben.
Das heißt:
(Reinhold Messner hat das einmal geschrieben)
Oder – wie es die neuseeländische Beraterin Bernadette Jiwa sagt – sich das Mögliche anzueignen und sich auch keinen Kopf machen um das Viele, das im Moment nicht zu erreichen ist.
In meinen Seminaren habe ich mit wundervollen Talenten zu tun, großartige Menschen und unglaublich gute Mitarbeiter, die leiden, wenn es ihrem Unternehmen nicht gut geht, die sich bis zur Erschöpfung einbringen, mehr als gesund ist. Menschen, die bis 9 Uhr abends im Büro bleiben, weil sie in der Unternehmensmission aufgehen und weil sie es nicht übers Herz bringen, Feierabend zu machen, wenn noch etwas Wichtiges auf der Agenda steht oder eine Arbeit noch nicht perfekt ist. Solche wunderbaren Mitarbeiter muss ich dann oft zu einem gesünderen Lebensstil drängen, ja zwingen, denn es bringt dem Unternehmen nichts, wenn sie dann nach einigen Monaten ausgelaugt und mit Burn Out länger ausfallen. Solche Menschen müssen – oft schmerzhaft – lernen, dass es in einer komplexen Welt nicht mehr möglich ist, alles perfekt unter Kontrolle zu haben. Oder lernen, dass man sich auch mal ab und zu mit 95% zufriedengeben darf. „Mach das Mögliche und sei zufrieden damit, du bist kein Versager, wenn du nicht immer die 100% erreichst“.
Aber die komplexe Welt darf auch nicht zur Ausrede werden, nicht alles Mögliche wenigstens zu versuchen. Man muss die 100 anstreben, um die 95 zu erreichen. Wenn man von vorneherein nur die 80 anstrebt, wird man schlussendlich nur die 50 erreichen. Schlecht, denn es wäre mehr möglich gewesen.
Und da kommt nun die Begeisterung ins Spiel, denn diese strebt immer nach dem Maximalen, was möglich ist. Die besten Mitarbeiter sind die Begeisterten, denn sie haben Passion für das Mögliche. Und manchmal sogar für das Unmögliche.