Wenn Ihnen der Begriff noch nicht ganz klar ist, können Sie ihn einfach googeln; Überraschung: Sie werden im Internet an die 160 Millionen Ergebnisse finden. Work-Life-Balance ist aktuell der Renner in aller Munde, eines der Top-Themen für Beratungsbücher und Ratgeber, und zugleich einer der großen Vorwürfe an die Generation Z: die sind eh nur faul, eingebildet und würden nur mehr das Notwendigste arbeiten, weil sie Freiräume für Ihre Freizeit brauchen; „Life“ ist ihnen wichtiger als „Work“.
Ganz abgesehen davon, dass ich in diesem Disput eher zu den Jungen halte und grundsätzlich der Meinung bin, dass sie sehr richtige Fragen stellen, wie: „Was mache ich aus meinem Leben?“, „Wo setze ich zeitliche Prioritäten?“, „Was will ich sinnvollerweise und was nicht?“ und es nachvollziehbar ist, dass sie nicht im Hamsterrad ihrer Väter landen wollen, führt uns der Begriff „Work-Life-Balance“ in die falsche Richtung.
Er teilt die Lebenszeit in 2 Blöcke und suggeriert damit, und das ist der 1. Denkfehler, dass es zwei große getrennte Bereiche gibt, die sich beinahe feindlich und unversöhnlich gegenüberstehen: die Arbeitswelt und die Lebenswelt: Arbeitswelt ist unschön - Lebenswelt ist schön. Wenn die Arbeitswelt unschön ist, will man logischerweise wenig Zeit darin verbringen; besser 4-Tage-Woche als 5-Tage-Woche, besser 35-Stunden-Woche als 40-Stunden-Woche. Die Arbeit wird zum Feind, dem man am besten entfliehen sollte. Die Radiostationen haben daraus einen Kult gemacht: Am Donnerstag heißt es schon: „Bald kommt das Wochenende“, am Freitag ist die Freude nicht mehr aufzuhalten: „Nur noch ein paar Stunden und ab ins Vergnügen“. Am Montag dann die deprimierte Stimmung: „Wochenende ist vorbei, jetzt müssen wir wieder einige Tage arbeiten – bis dann endlich das nächste Wochenende kommt.“ Arbeit ist böse – Freizeit ist schön.
Der 2. Denkfehler besteht darin, dass Freizeit und Familie a priori immer schön, freudig, relaxing sein müssen, was dazu führt, dass die Menschen in ihrer vollgepackten Freizeit oft mehr Stress und Druck haben als am Arbeitsplatzt. Hand aufs Herz: ein stundenlang schreiendes Baby zuhause ist nicht entspannend; ein Urlaub, der unter den Erwartungen bleibt, enttäuscht und macht unzufrieden; Stunden im Stau sind nicht idyllisch; nicht alle privaten Beziehungen sind berauschend; überteuerte Essen im Restaurant sind auch nicht gerade aufbauend. Nein, Freizeit ist nur dann gut eingesetzte Lebenszeit, wenn dabei etwas unternommen wird und passiert, was begeistert; sonst nicht.
Umgekehrt ist der Mensch – und das ist der 3. große Denkfehler – nicht glücklich, wenn er permanent nichts tut, nicht arbeitet, sich nicht betätigen kann. Als Menschen sind wir Schöpfer, Kreatoren, Macher, und wir haben Freude, wenn uns etwas gelingt. Nichts-Tun macht uns nicht glücklich! Im Gegenteil, wir sind glücklich, zufrieden, ausgefüllt, wenn wir das tun dürfen, was uns begeistert. Jeder Mensch hat einmalige Motivationals, Dinge, die man liebend gerne tut. Diese begeisternden Motivationals sind oft schon von klein an angelegt, es sind Motivationsfähigkeiten, die in uns verankert sind. Darf ein Mensch tun, was er gerne tut, was seinen Motivationals entspricht, ist er glücklich und zufrieden und erfüllt, egal ob bei der Arbeit oder in der Freizeit.
Idealerweise – ich nenne es Work-Life-Satisfaction – findet man bei der Arbeit und in der Freizeit, im Hobby, im „Leben“, bei allem, was man tut, Möglichkeiten, die eigenen Motivationals zu tun und auszuleben. Dann könnte man sagen: „it´s not my job; it´s my passion“ - Das ist nicht meine Arbeit, das ist meine Passion. Und mit Konfuzius könnte man dann behaupten: „Wer begeistert ist muss nie mehr arbeiten.“ Begeisterte Menschen suchen keine Work-Life-Balance, sondern motivierende Erfüllung in Arbeit und Leben
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