Wer die Verantwortung für ein Unternehmen trägt kann nicht so einfach im Home-Office abtauchen. Er/sie muss weiterhin die Unternehmensdynamik steuern und Strategien anpassen, er muss den Markt und die Politik beobachten, Volatilität und Komplexität „lesen“ und verstehen, sich um die Mitarbeiter kümmern und die Kunden bei Laune halten.
In Krisenzeiten bewähren sich Kompetenzen, die für Leader 4.0 ohnehin gelten, denen aber gerade jetzt eine besondere Bedeutung zukommt.
Es fällt auf, dass erfolgreiche Führungskräfte behaupten, in Krisenzeiten noch mehr Energie, Zeit und Anstrengungen aufzuwenden, um mit den eigenen Mitarbeitern zu kommunizieren. Was ankommt und tatsächlich auch gebraucht wird, ist ehrliche, authentische Kommunikation, die nichts beschönigt, aber Klarheit bringt. Auch der beste Kapitän wird allein nicht durch den Sturm kommen; er braucht die Crew, er braucht die motivierte Mannschaft und er muss dafür noch mehr in Kommunikation investieren.
Es geht in diesen Zeiten noch mehr darum, nicht nur Aktionen zu setzen, sondern den Sinn dahinter klar zu machen. Die Mitarbeiter müssen verstehen, was läuft. Gerade wenn man herausgefordert ist, besondere Anstrengung zu unternehmen, außerordentliche Mühen auf sich zu nehmen, Beeinträchtigungen in Kauf zu nehmen, muss man den Sinn dahinter erkennen können. Gut, wenn man nicht nur das eigene Bedürfnis, das eigene Team, das eigenen Unternehmen im Sinn hat, sondern auch das Große und Ganze, denn Krisen sind im Kollektiv zu meistern und nicht in Einzelaktionen. Gut auch, wenn sich bis dahin eine Wertesystem und eine Wertekultur etabliert haben, denn Werte ergeben immer Sinn und geben Antworten auf den Zweck; sie erklären, warum wir etwas tun und warum es gerade jetzt getan werden muss. „Wer weiß warum, erträgt fast alles Wie“ (sagte Friedrich Nietzsche, obwohl der Satz meist fälschlicherweise Viktor Frankl zugeschrieben wird). Gut, wer Sterne hat, an denen man sich orientieren kann, dann muss man den Kurs nicht nach den Lichtern eines jeden vorbeifahrenden Kahns richten.
Kapitäne sind in diesen Zeiten gut beraten, nicht zu befehlen, sondern zu begeistern und dürfen in schweren Umständen auch danach fragen, wie sie helfen können, was die Mitarbeiter brauchen würden, um besser über die Runden zu kommen. Wenn man sich Zeit nimmt, danach zu fragen, wie man als Firma helfen könnte, wird es nicht lange dauern, bis die Mitarbeiter fragen werden, wie sie der Firma helfen können.
Die Turbulenzen zwingen ja nicht nur Aufgabe des Ziels. Man wird Umwege gehen müssen, okay, man wird länger brauchen, okay, man wird sich anstrengen müssen, okay, aber der Kompass zeigt immer noch in dieselbe Richtung. Der Firmenzweck ist ja nicht aufgegeben worden. Und ein guter Zweck heiligt zwar nicht alle Mittel, aber er gibt gute und gediegene Motivation. „Man kann den Wind nicht ändern, aber man wird die Segel anders setzten müssen“ soll schon Aristoteles gesagt haben. Vor allem sollte ein weiser Steuermann das steuern, was er im Moment gut steuern kann. Gut lenkbar ist aktuell all das, was nicht mit der Großwetterlage zu tun hat, sondern was überschaubar getan werden kann. Ob die Skigebiete öffnen werden, ist von einem lokalen Seilbahnbetreiber aktuell nicht steuerbar; also ist es unsinnig, diesen Punkt steuern zu wollen und darauf zu viel Energien zu investieren.
Die Regatta ist ausgesetzt, es geht nicht darum, den Turn zu gewinnen, sondern heil an Land zu kommen. Man kann also auch die Kräfte besser einteilen, und sichere Ziele suchen, kürzere und einfache Weg nehmen, die die Crew nicht überfordern. Sicherheit geht vor. Man wird die Mannschaft in dieser Phase aber auch nicht mit Dreijahresplänen oder Jahresvereinbarungen gängeln, oder mit Prognosen und Vorschauen und Planungen, die eh nicht stimmen werden. Jetzt die zukünftige Nachfrage planbar und steuerbar vorhersagen zu wollen, ist wahrsagerisch.
Trotzdem ist wichtig, vorausschauend zu sein. Erfolgreiche Führungskräfte denken nicht nur an die Bewältigung der Krise, sondern an das, was sich aus dieser Krise für die Zukunft ergeben könnte. 10-20 Prozent der Zeitressourcen sollten – laut entsprechenden Umfragen bei erfolgreichen CEO´s nach neuen Visionen und Ideen für die Zukunft „nach der Krise“ fließen. Wenn jede Krise eine Chance ist, dann ist das auch die Zeit, sich mit möglichen Megatrends intensiv zu beschäftigen, an neue Geschäftsfelder zu denken, die Gründung von start ups ins Auge zu fassen: Man kann nicht nur „Feuerlöschen“.
Wir sehen ja auch in Südtirol, wie kreativ einige Restaurants und Läden sind und neue Arbeitsweisen entdecken, Produkte umgestalten, Zulieferketten neu denken, ein lokales „Amazon“ erfinden. Vieles von dem wird auch „nach der Krise“ bleiben.
Es ist eine gute Zeit, Vorhaben, die ohnehin geplant waren, schneller umzusetzen. Informatikbeauftragte staunen nicht schlecht, wie reibungslos nun technische Veränderungen akzeptiert werden, wie rapide nun alles geht, wieviel Mittel nun bereitgestellt werden. Was in drei Jahren veranschlagt worden war, geht nun in drei Monaten. Sogar die mürrischen Digitalisierungsverweigerer sind nun froh, wenn Ausstattung und Anschluss im Home-Office funktioniert.
Es ist aber vor allem die Zeit, in der neue Talente entdeckt werden könnten. Vielleicht hatte man sie übersehen, vielleicht waren sie verborgen oder zu still. Schauen Sie sich gut um, vielleicht entdecken Sie jemand, den man in Zukunft ins Führungsdeck holen könnte. Und wen man definitiv über Bord werfen kann.
„Steuern, was man steuern kann“