Krisenkommunikation ist eben eine Kommunikation in Zeiten, wo es kaum Schönwetter, dafür umso mehr Wolken, Blitzschläge, Donnergrollen, Nebel mitzuteilen gibt. Die Dinge sind anders als normal, wir müssen durch eine Krise hindurch und daraus folgend wird sich eine neue Konstellation ergeben, auf die Mitarbeiter, Kunden, Bürger noch nicht eingestellt und auch nicht vorbereitet sind. Die Corona-Krise ist auch eine Kommunikationskrise, in der scheinbar viele Kommunikatoren nicht recht umzugehen wissen mit der Aufgabe, wie man den hier nun erforderlichen Spagat zwischen Daten und Emotionen hinbekommt. Das ist zugegebenermaßen schwierig, aber es gibt zu diesem Thema auch eine Menge guter Literatur (die aber in den Chefetagen noch nicht angekommen zu sein scheint).
Krisenzeiten sind geprägt von Unsicherheit, Angst, Zweifel, Sorgen. Veränderungen wohnt oft Orientierungslosigkeit inne, weil es ja tatsächlich schwierig ist zu verstehen, wohin die Reise gehen wird. Wir haben auf dieser Seite schon öfters darauf hingewiesen, dass in komplexen Zeiten die Werkzeuge für eine komplizierte Welt nur mehr bedingt funktionieren. Hier liegt ein großer Einschätzungsfehler: Komplexe Situationen sind mit den Werkzeugen der Kompliziertheit nicht bewältigbar. Allerdings sind die meisten Leader, Manager und Kommunikationsexperten scheinbar schlecht vorbereitet, es wird z.B. nicht agiert, sondern reagiert, es wird passiv abgewartet (nach dem „Kaninchen-erstarrt-vor-Schlange“-Prinzip) und wenig vorausschauend aktiv gestaltet, es werden die wichtigsten Prinzipien einer gelingenden Krisenkommunikation nicht eingehalten.
Im Sturm der Krise muss man dem Kapitän und seiner Führungscrew vertrauen können. Ohne Vertrauen murrt die Mannschaft und folgt den Anweisungen nur widerwillig, erst mit Galgenhumor, dann aber mit Rebellion.
Ich will wissen, ob der Captain die Gewässer kennt, oder nur so als ob. Und wenn er durch den Nebel hindurch nichts sieht, möchte ich wissen, ob er schon mal im Nebel war. Und ich erwarte mir, dass er vorne steht, Auge im Auge mit dem Nebel. Und er darf mir sogar sagen, dass er meine Hilfe braucht; ich gebe sie ihm gerne; wenn er nicht so tut, als ob er/sie alles wüßte…
Spätestens in Krisenzeiten wird deutlich, wie wichtig die emotionalen Aspekte sind: Mit Fakten allein kommt man einer Krise nicht bei. Logik ist in diesen Zeiten nur eine Seite der Medaille, die andere ist die der Empathie.
Kommunikationsstrategie muss sich in solchen Zeiten existentiell nach der Wirkung der Maßnahmen orientieren, muss verstehen, wie Aktionen wirken und vor allem das Warum erklären. „Wer weiß warum, erträgt fast alles Wie“, sagte Nietzsche. Warum man etwas tut und wie man es tun will, ist genau so wichtig wie das Was! Ein Was ohne Warum ist in diesen Zeiten ungenügend.
Zunächst Authentizität. Wir haben keine Motivation, jemand zu vertrauen, der nicht authentisch ist und vorgibt, etwas zu verstehen, wo doch mehr oder weniger klar, dass er/sie nix versteht. So tun, als ob man Komplexität durchschauen würde, braucht ein hohes Maß an akzeptierter Kompetenz. Früher hat man Institutionen und Hierarchien noch geglaubt und allein die Tatsache, dass sie Institution waren, dass es Vorgesetzte waren, schaffte Vertrauen. Dem ist heute nicht mehr so; wir wollen wissen, ob da Könner*innen am Werk sind oder nicht. Und wer nicht echt ist, hat verloren. Wer so tut, als verstünde er was, ist sich des Ernstes der Situation nicht bewusst und wird richtigerweise abgestraft. Durch Vertrauensentzug
Transparenz ist die nächste absolute Notwendigkeit. Wir wollen wissen: Wer hat diese Entscheidung getroffen? Warum und auf der Basis von welchen Überlegungen wurde sie getroffen? Welche Auswirkungen hat sie? Eine Argumentation „wir haben uns mit unseren Experten getroffen“ genügt nicht mehr. Man will wissen: Wer sind diese Experten? Was qualifiziert sie? Welche Argumente haben sie? Wenn die Menschen das Gefühl haben, die Daten würden im Hinterzimmer gewürfelt, ist das Vertrauen futsch. „All hands on desk“ lautet die Devise, „alle Hände auf den Tisch“: Keine Tuschelein bitte, sondern Austausch auf Augenhöhe.
Ungeliebte Wahrheiten werden nicht besser, wenn man sie verweichlicht und Botschaften für Warmduscher draus macht. Wenn es gefährlich ist, ist es halt gefährlich und nicht „ein bisschen“ gefährlich, wenn Regeln einzuhalten sind, sind sie zu respektieren und nicht „ein bisschen“, wenn es grad keine Umstände macht. Klarheit ist eine der wichtigsten Leadership-Kompetenzen und da ist viel schiefgelaufen, weltweit, europaweit, auch bei uns: wenn sich Politiker delegitimieren, indem sie sich gegenseitig widersprechen, ist das Ergebnis: Unklarheit.
Klarheit und vor allem Einfachheit auch bei den Verkündigungen: wenn das halbe Land die Verordnungen und Regeln studiert und analysiert und interpretiert und diskutiert, gibt es beim Prinzip Klarheit noch Luft nach oben.
Es ist unmöglich, in Zeiten sich permanent verändernder Umstände und variierender Wissensstände keine Fehler zu machen. Fehler gehören in Krisenzeiten dazu. Man darf auch zu Fehlern stehen. Man darf auch Fehleinschätzungen offen und transparent kommunizieren. „Wer A sagt muss nicht B sagen; er kann auch zugeben, dass A falsch war“ (Bert Brecht). Nur muss es nachvollziehbar, logisch, wissensbasiert, einleuchtend sein, sonst schwindet die Akzeptanz bei den Menschen (Söder docet).
Dummerweise denken viele Politiker in Pressekonferenzen und in Medienauftritten, viel heiße Luft wird produziert. Das kommt aber echt nicht gut, untergräbt Vertrauen und ist langfristig nicht ungefährlich für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Als Bürger dürfen und sollen wir deshalb eine seriösere Kommunikationspolitik einfordern, auch und vor allem in Krisenzeiten.
Damit eines auch klar ist: Die Politik ist definitiv nicht schuld an den hohen Zahlen, an der Ausbreitung des Virus, an der Krise. Die haben uns nicht angesteckt! Da müssen wir uns selber an die Nase fassen; es ist nicht gerechtfertigt, den politischen Entscheidungsträgern die Krise in die Schuhe zu schieben; am Lockdown sind unsere Partys, unsere Hugs, unsere Covidioten, unsere Unbekümmertheit Schuld.
Aber weil es nun halt mal so ist wie es ist, braucht es fortan wie bei allen Umwälzungen auch eine kompetentere Krisenkommunikation. Denn auch davon hängt es ab, wie schnell wir Zorn und Virus und Lockdown loswerden.