Geben wir es doch offen zu: Wir haben im Grunde kaum Ahnung, welche Fähigkeiten, welche Werkzeuge in 10, in 8, in 5, in 3 Jahren gebraucht werden. Wir haben keine Ahnung, wohin die Reise gehen wird, wie unsere Unternehmen 2022 – in einem Jahr! - aufgestellt sein werden und also haben wir auch nur vage Vorstellungen, worum es bei den (richtigerweise) laut geforderten Umschulungen gehen soll. Okay, einige Dinge wissen wir: Es wird vermehrt digitale Kompetenzen brauchen, alle (!) Mitarbeiter werden ihre Fähigkeiten im Umgang mit Rechnern verbessern müssen, man wird die neuen Formen der Zusammenarbeit im Netz können müssen: Slack, Trello, Miro, Klaxoon werden keine Fremdwörter mehr sein. Ebenso wissen wir, dass es im Bereich Soziales und Pflege vermehrt Arbeitskräfte brauchen wir (in einer alternden Gesellschaft ist das eine der wenigen sicheren Bänke), und dass hochspezialisierte Fachkräfte und Talente für die weltmarktführenden hidden champions händeringend gesucht werden.
Das Schlimme ist ja nicht, dass aktuell anscheinend bereits Zehntausende Arbeitsplätze verloren gegangen sind, sondern dass sich dieser Trend ausweiten wird. Wenn in den nächsten 15-25 Jahren die Hälfte der heutigen Jobs weltweit wegfallen oder sich grundlegend ändern werden, werden alle Regionen von diesem Trend betroffen sein. Keiner braucht zu meinen, dass seine Branche demnächst nicht von radikalen, disruptiven Veränderungen – von denen wir heute noch nicht die leiseste Ahnung haben – überschwemmt wird. Wir haben gemerkt, dass sich in nur einem Jahr Arbeiten, Lernen, Leben radikal verändert haben. In einem Jahr! Und ein Zurück wird es nicht mehr geben.
Wir wissen von den großen Unternehmen, dass sie auch in Zukunft ihre Mitarbeiter 2 bis 3 Tage in der Woche im Home-Office lassen werden. Wir können daraus ableiten, dass vermehrt Instrumente der Zusammenarbeit auf Distanz notwendig sein werden. Und weil beinahe täglich neue Formen und Apps und Tools dafür auf den Markt kommen werden, wird man nie mehr wieder „ausgelernt“ haben.
Deshalb wird ja seit Jahren der Slogan vom Life Long Learning, vom lebenslangen Lernen gepusht. Die Menge an Information nimmt exponentiell zu und wir brauchen Werkzeuge, diese Daten-Ozeane sinnvoll gestalten zu können, um nicht überschwemmt zu werden und in den Datenfluten zu ersaufen.
Die Automatisierung nimmt weiter rasant zu: unwahrscheinlich, dass in 20 Jahren noch eine Verkäuferin im Supermarkt stehen wird, ja es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass man bald nicht mehr selbst ins Geschäft geht und sich auch die alltäglichen Dinge wie Lebensmittel nach Hause liefern lässt.
Es ist deswegen auch ein Irrglauben, dass man nun einfach eine „Umschulung“ machen könnte und schwuppdiwupp hätte man nun die Lösung für die nächsten 30 Jahre der beruflichen Entwicklung parat. Auch diese Umschulung wird nicht reichen, um vor den Turbulenzen, die kommen werden, gefeit zu sein. Die Halbwertszeit des Wissens verkürzt sich rasant, in einzelnen Bereichen (aktuell Virologie, aber auch Nanotechnologie, Neurobiologie, in der Gentechnik oder der Forschung zur Künstlichen Intelligenz) verdoppelt sich das gesamte verfügbare Weltwissen zu einem bestimmten Thema innerhalb eines (1) Jahres (nur die öffentliche Schule leistet sich noch, Wissen von vor 20 Jahren zu unterrichten …)
Es geht nicht um Umschulung, es geht um Schulung. Um Bildung. Um Lernen lernen. Es ist kein Zufall, dass letztes Jahr das Weltwirtschafsforum Davos aktives Lernen und Lernstrategien unter den Top Skills für 2025 gelistet hat. Jede und Jeder wird solche brauchen!
Was also lernen?
Wie orientieren zwischen tausenden Optionen?
Nun, abgesehen davon, dass die Fähigkeit zur Orientierung selbst eine der gefragten und notwendigen Kompetenzen sein wird (vor allem auch für Leader) gibt es 3 Säulen, auf denen Schulung und Weiterbildung nun aufbauen müssten:
Zum einen die technologischen Fähigkeiten, um sich mit den transformativen Informations- Technologien der Zukunft mehr und mehr vertraut zu machen (Blockchain, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz).
Dann die Erziehung zu einer Digital Citizenship, also die Kompetenzen eines digitalen Bürgers erwerben, um an einer digitalisierten Umwelt sowohl geschäftlich wie auch privat teilnehmen zu können.
Vor allem aber die klassischen Softskills. Die althergebrachten 4 K – Kommunikation, Kooperation, Kreativität, Kritisches Denken – sind ja keinster Weise überholt und die Basis für so viele andere Fähigkeiten, die wir brauchen werden: Antizipationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Selbstwirksamkeit, Problemlösungskompetenzen. Oder aktuell: Krisenkompetenz, Resilienz, Antifragilität. Diese lernt man aber nicht in einem Eintages-Seminar, sondern sind Frucht eines gutstrukturierten individuellen Lernplanes. Es ist fahrlässig, ohne einen solchen die Zukunft bestreiten zu wollen.