“Wie bereiten wir Menschen auf Herausforderungen vor, die gegenwärtig noch nicht existieren, auf die sinnvolle Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, und auf die Lösung von Problemen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden?“ (Prof. Dr. Werner Sauter)
Durch Künstliche Intelligenz, Internet, Digitalisierung, Neue Medien ist der Zugang zu Wissen heute beinahe uneingeschränkt und jederzeit möglich. Jeder Schüler hat durch einen schnellen Blick auf das Handy (unter der Bank) in Sekundenbruchteilen mehr Wissen zur Verfügung, als es der Lehrer, der vor ihm im Klassenzimmer steht, haben kann. Das führt zu zwei weiteren wichtigen Fragen: Welches zukunftsrelevante Wissen wird es in Zukunft überhaupt brauchen und welche agilen Zukunftskompetenzen wird man zusätzlich erwerben müssen, um in einer VUCA-Welt (volatil, ungewiss, complex, ambivalent) bestehen zu können?
Tatsächlich stammt unsere Schule ja noch aus der Industriellen Revolution und viele Schulen ähneln eher Fabriken, mit festgeschriebenen Stundenplänen – von Glocken eingeläutet – in denen Schüler, nach Jahrgängen und nicht nach Talenten nummeriert und etikettiert ihrer „Arbeit“ nachgehen. Jedes Fach ein eigenes Silo, strenge Hierarchie von der Direktion abwärts, Top-Down-Entscheidungen in Reinkultur. Die Frage, welche Lebens- und Entwicklungsphasen günstig und geeignet sind für den Erwerb von bestimmten Kompetenzen, spielt kaum eine Rolle. Es wird noch viel über den Kamm geschert, Einheitlichkeit lässt sich besser verwalten als Agilität, stramme Reihen sind leichter zu handeln als ver-rückte.
Solche Strukturen werden aber für Wirtschaft und Gesellschaft kaum mehr gebraucht. Eine dynamische Welt hat hingegen Bedarf an neuen Schlüsselkompetenzen: Nicht mehr „Know How“, sondern „Know Why“, nicht mehr „Gewusst wie“, sondern „Gewusst Warum“.
„Lernateliers“ werden den klassischen Unterricht ersetzen, denn sie bieten themengebundene, fächerübergreifende und fächerunabhängige Lerneinheiten, die sinnstiftendes Lernen ermöglichen. Inhalte unterschiedlicher Schulfächer und ausgewählte lebenspraktische Kompetenzen werden in thematischen Kontext gelehrt. Schule wird anerkennen müssen, dass es sich in nichtschulischen Umgebungen u.U. besser lernen lässt.
Bereits 2012 gab der Europäische Rat die Empfehlungen zur Validierung und Anerkennung nichtformalen und informellen Lernens heraus (das die Mitgliedsstaaten bis 2018 regelnd einführen sollten). Bildung muss nicht nur digitaler, sondern flexibler und mobiler werden.
Interessant scheint dabei, wie nachdrücklich und immer wiederkehrend der Ruf nach radikalen Ideen für eine überlebensnotwendige Bildungswende ist und wie sich drei Themenpunkte scheinbar in den Vordergrund drängen: Creativität, Agilität, Sharing. Das ist folgerichtig, denn in Zeiten, wo sich viele die Frage stellen, ob ihr Job nicht früher oder später von Robotern oder Automaten geschluckt wird, ist es wichtig zu wissen, dass in Fragen der Sozialkompetenz, der Kreativität und des komplexen Problemsolving der Mensch der Maschine überlegen bleiben wird. Deshalb muss in Bildung 4.0 CreAgilität auf Unternehmerisches Denken treffen; der notwendige und angestrebte Austausch Schule-Wirtschaft-Kultur-Gesellschaft wird dazu führen, dass es in Zukunft an Schulen auch LernKultur-Coaches für Potenzialentfaltung geben wird.
Der Wandel rund um die Digitalisierung verlangt weit mehr als eine digitale Aufbereitung klassischer Wissensvermittlung und eine Fokussierung auf digitale Kompetenzen. Notwendig ist ein umfassender Ansatz von Zukunftskompetenzen, der die Kreativität, Kollaborations-, Kommunikations- und Umsetzungskompetenz jedes Lernendens stärkt, einschließlich Sinnhaftigkeit, Empathie und Verantwortungsbewusstsein. Im Übergang von der Wissensgesellschaft zur Kompetenzengesellschaft bedeutet dies für die Lehrer, dass sie immer mehr von Wissensvermittlern zu einer Art Talentmanager werden sollten.